Statement zum Friedensbegriff rund um den 13. Februar

Das bürgerliche Gedenken wird immer wieder mit dem Verweis auf Frieden und Versöhnung gerechtfertigt. Es wird jedes Jahr durch verschiedene Formate zum Ausdruck gebracht. Dabei wird der alliierte Luftangriff auf Dresden in allgemeines Kriegsgeschehen auf der Welt in der Vergangenheit und Gegenwart eingereiht. Das dahinterstehende Narrativ, dass Menschen in kriegsfreien Gebieten dankbar sein können und sich alle für eine friedvolle Welt einsetzen sollen ist eine Aussage, die zunächst als legitim erscheinen vermag. Dennoch verbergen sich hinter dieser Form des Gedenkens der Stadt Dresden und anderen Initiativen einige Probleme.

Auch wenn immer wieder betont wird, dass es sich bei dem Gedenken am 13. Februar um ein Gedenken der Opfer von Krieg UND Faschismus handle, ermöglicht die Wahl des Tages, die Opfer des Faschismus hinten anstehen zulassen oder mit den Toten des Luftangriffs 1945 gleichzusetzen. Zudem macht es das bürgerliche Gedenken anschlussfähig für Rechts und ignoriert geschichtsrevisionistische Kontinuitäten in der Bevölkerung.

In den 1980er Jahren griff die Friedensbewegung den 13. Februar auf und nutzte ihn für ihre Anliegen. Die dort etablierte entkontextualisierte Erzählung setzt sich bis heute fort.

Auch dieses Jahr wird sie durch verschiedene neue Formate fortgeschrieben und begleitet das Gedenken am 13. Februar. So führte die Stadt dieses Jahr Interviews mit vier 1945 in Dresden geborenen Personen*. Jeder der Filme ist mit einem Hastag versehen, der die Kernaussage der ca. fünf minütigen Videos fassen soll. Herausgekommen sind die Hashtags #nicht_spalten #nicht_hassen #nicht_wegschauen #nicht_verzagen.
Es kann durchaus sinnvoll sein historische Zusammenhänge über individuelle Biographien sichtbar zu machen, hier befördert es aber wieder eine Form von Geschichtsvergessenheit, die den Luftangriff als eines der schrecklichsten Geschehnisse des 2. Weltkriegs erscheinen lässt. Die individuellen Geschichten werden nicht in einen größeren Gesamtzusammenhang eingeordnet. Schon die Erläuterungen auf der Website der Stadt zu den Videos wirken ungerahmt. So ist die Rede von der zertrümmerten Stadt und den wenigen Stunden, in denen viele starben, der am 13. Februar gedacht werde. Er wird mit Nationalsozialismus und anderen zerstörten Städten unkommentiert in einem Satz genannt. In den Videos selber erzählen die Menschen von der strapaziösen Geburt, die ihre Mütter durchstehen mussten und der harten Zeit im Anschluss. Recht willkürlich anmutend ist das Interview in Kapitel unterteilt, die den nächsten Themenbereich ankündigen. Obwohl vereinzelt das durch bürokratisch organisierte Massenmorde erzeugte Leid erwähnt wird, steht es hinter den anderen Aussagen zurück. Die Ausschnitte der Interviews wirken zum Teil zusammenhangslos. Zumal lediglich zwei von vier der Personen sich überhaupt dazu äußern und am Beispiel von Pirna-Sonnenstein betont wird, wie schrecklich das gewesen sei, aber die Bewohner*innen Pirnas natürlich nichts davon wussten. In Pirna-Sonnenstein wurden zwischen 1940 und 1941 mindestens 14000 Menschen ermordet. Die Nationalsozialist*innen taten dies im Rahmen der sogenannten „Vernichtung unwerten Lebens“. Die Idee, dass sich gefühlt ¾ der deutschen Bevölkerung in Unwissenheit über die Taten des Nationalsozialismus wiegten ist inzwischen hinreichend widerlegt und es verleitet uns dazu gernervt mit den Augen zu rollen.

Es stellt sich die Frage, welche Funktion bzw. Motivation hinter der Produktion der Videos steckt, wenn gerade mal vier Personen zu ihrem Leben interviewt werden, alle ausschweifend von dem schrecklichen Bombenangriff berichten und den Nationalsozialismus nur am Rande erwähnen. Auch wenn einige der Hastags den Ruf nach Zivilcourage andeuten, verschwindet es hinter der textlichen Rahmung auf der Website der Stadt. Dies geschieht, sowohl durch den Einleitungstext, als auch die Gesamtaussage der Videos. Sorry not sorry, aber lediglich den Wunsch nach Frieden und Versöhnung in der Videoproduktion nach außen zu tragen reicht hier nicht aus.

Ein weiteres Beispiel sind die „Rolling Angel“ der Künstlerin Marit Benthe Norheim, die gegenwärtig an verschiedenen Orten in Dresden ausgestellt sind. Dabei handelt es sich um rollende Betonengel. Sie stehen ebenfalls für Frieden, Liebe, Trost. Die Engel sollen dabei einen versöhnenden und universalen Charakter darstellen. Auch wenn hier die Aussage nach Frieden zunächst erstrebenswert erscheint, ist das Setting denkbar ungünstig. Erneut liegt bei Erblicken der Engel der Gedanke nahe, es handle sich bei dem 2. Weltkrieg um einen Krieg wie jeder andre, der die Rolle Deutschlands und den Nationalsozialismus nur leicht mitschwingen lässt. Es fällt allzu leicht als Betrachter*in diesen Teil der Geschichte komplett zu vergessen und den Wunsch nach Frieden mit Bildern von leidenden Sterbenden während des Luftangriffs in Dresden zu verbinden. Dieser Mechanismus ist nur einleuchtend. Ist es doch viel angenehmer sich aus einer gefühlten Betroffenheit und Trauer um die tote Uroma heraus für Frieden zu engagieren, als einzusehen, dass der Luftangriff eine notwendige Reaktion auf den bedingungslosen Faschismus war und man sich besser mal mit der eigenen nationalsozialistischen Familiengeschichte auseinandersetzen sollte.

Denn was ganz nebenbei geschieht, ist die Erzeugung einer gemeinsamen Identität aller Dresdner*innen die jetzt seufzend vor ihrem Computer sitzen und die Verbundenheit spüren können, anstatt Verantwortung für Taten in der Vergangenheit zu übernehmen und zu überlegen wie endlich auf eine weniger geschichtsrevisionistische Art und Weise mit dem 13. Februar umgegangen werden könnte und weshalb Frieden und Versöhnung als Aufruf an diesem Tag zynisch anmutet. Hinzu kommt, dass es die Vorstellung vermittelt Verständnis mit allen Menschen – auch mit Nazis – haben zu sollen. Diese Herangehensweise hat sich jedoch gerade bei städtischen Versuchen mit Pegida und Co. zu diskutieren als wenig hilfreich erwiesen.

Auch durch das diesjährige Gedenken wird – vielleicht auch unterbewusst – Frieden instrumentalisiert, um entkontextualisiert und unreflektiert den Toten des alliierten Luftangriffs auf Dresden gedenken zu können. Die Aufarbeitung der Vergangenheit und Auseinandersetzung mit aktueller rechter Politik bleibt dadurch aus.

*Hier die Pressemitteilung der Stadt: https://www.dresden.de/de/rathaus/aktuelles/pressemitteilungen/2020/02/pm_003.php

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