Redebeitrag Feministischer BLOCKieren 15. Februar
Heute findet zum 21. Mal ein Naziaufmarsch in Dresden zum 13. Februar statt. Ein Naziaufmarsch, der mal einer der größten Europas war und fuer den europaweit Anreisen stattgefunden haben. Fuer organisierte neonazistische Strukturen sowie fuer alle Anhaenger faschistischer Ideologien ist der 13. Februar das ideale Symbol. Das ideale Symbol, um eine deutsche Schicksals- und Leidensgemeinschaft herzustellen und ein kollektives, nationalistisches Erinnern zur Stütze nationaler, völkischer Identität zu verwenden. Es ist fuer FaschistInnen der ideale Anlass, um gesellschaftlichen Raum zu gewinnen. Diesen Raum reißen sie in all ihrer Gewalt immer wieder an sich – durch Anschläge, Angriffe, Morde, faschistische Strukturen in – sowieso schon faschistisch orientierten Institutionen wie Polizei und Militär, durch die Verbreitung ihrer zutiefst menschenfeindlichen Ideologie. Eine Ideologie, die die Vernichtung von Menschen vorsieht und sie wie keine andere als lebenswert und nicht lebenswert einordnet. Mit dieser Ideologie knüpfen sie direkt an das NS-Regime an und setzen auch in ihren Gedenkmärschen und anderen Gedenkveranstaltung wie ihrer Aktionswoche rund um den 13. Februar die NS-Propaganda fort – auch in Bezug auf eine vollständige Täter-Opfer-Umkehr, ihre Relativierung, Leugnung und Rechtfertigung der Shoa und ihrem Konzept des – wie sie es nennen – alliierten „Bombenterrors“.
Der erste angemeldete Nazigedenkmarsch fand 1999 zur Frauenkirche statt. Bereits im ersten Jahr nach dem Luftangriff durch die Alliierten fanden jedoch offizielle bürgerlichere Gedenkveranstaltungen statt, die in der DDR und nach 1990 fortgesetzt wurden und heute immer noch – und in kaum veränderter Form – stattfinden. An dieser Stelle zeigt sich also rund um den 13. Februar auch, wie nah neonazistisches und buergerliches Gedenken und Verstaendnis beieinanderliegen koennen. Die Stadt und viele ihrer Buerger*innen nutzen dabei den Naziaufmarsch dafuer, ihr eigenes Gedenken zu legitimieren: buergerliches, vermeintlich demokratischer Gedenken? Gut. Nazigedenken und Naziaufmarsch? Schlecht. Sie verleugnen dabei, dass auch sie damit den Opfermythos stärken und sich tatsächlicher Verantwortungsübernahme und gesellschaftlicher Veränderung in den Weg stellen. Wie immer wird erst dann gejammert, wenn die oeffentliche Wahrnehmung geschaedigt werden koennte und Dresden weniger so tun kann, als waere es eine – wie sie sagen – “weltoffene und bunte Stadt“.
Die sich selbst gerne so bezeichnende „neutrale“ Mitte der Gesellschaft – was auch immer das sein soll – hat oft nicht nur geschichtsverfälschende Ansichten zum 13. Februar, sondern möchte die gegenwärtige Gesellschaft oft noch weiter zu einer ausbeuterischen und unterdrückenden Gesellschaft machen. Ein besonders sichtbares Beispiel dafür ist die AfD, die sowohl mit Nazis als auch mit Parteien wie der CDU liebäugelt. Die bürgerliche Mitte ist also nicht mittig (was auch immer das heißen soll) und auch nicht neutral – die sogenannte Mitte war schon immer anschlussfähig für rechts. Das wird aktuell einmal mehr bewiesen. Die AfD will eine ungerechte Gesellschaft und trägt das auch offen zur Schau. Die Geschehnisse in Thüringen haben nur einmal mehr gezeigt wie fließend der Übergang von CDU/FDP und AfD ist. An dieser Stelle senden wir solidarische Grüße nach Erfurt zur Unteilbardemo! Nicht nur die alleroffensichtlichsten Nazis sind das Problem! Gemeinsam Verantwortung für gestern und heute übernehmen – den gesamtgesellschaftlichen Kontext in Frage stellen!
Teil der Geschichte des 13. Februars und des Opfermythos ist auch die Geschichte des antifaschistischen Widerstandes. In dieser Geschichte antifaschistischen Widerstands zeigt sich auch, wie mit Naziaufmärschen verfahren werden sollte. Antifaschistischen Protest gegen den Opfermythos und das Gedenken zum 13. Februar gab es ab 1993 zunaechst aus anderen Staedten. Breiter Protest war zu Beginn nur eingeschraenkt moeglich und wurde zum Teil auch durch linken Geschichtsrevisionismus blockiert – durch Menschen, die eine gerechtere und bessere Welt fordern, die in Bezug auf den 13. Februar aber nur vermeintlich individuelles Schicksal und Leid von Menschen sehen wollen und dabei den Kontext und die gesellschaftliche Dimension aus den Augen verlieren. Genau dieser Geschichtsrevisionismus wurde in Dresden ab 2000 thematisiert, u.a. durch das Antifa Recherche Team: Lieber eine Bombe auf den Kopf als nach Auschwitz. 2006 wurde der Naziaufmarsch das erste Mal durch Blockaden gestoppt, 2010 das erste Mal durch Blockaden verhindert. Funktioniert haben diese Blockaden vor allem durch massives Chaos in der Stadt, brennende Autos und eine sehr breite Masse an Antifaschist*innen, die sich auf der Strasse und in der Organisation beteiligt haben. Nach den erfolgreichen Blockaden ist der Naziaufmarsch immer kleiner geworden und hat an Relevanz verloren. Erst durch die Entwicklungen der letzten Jahre und den Rechtsruck hat der Aufmarsch wieder groessere Relevanz – und an dieser Stelle muss antifaschistischer Widerstand ansetzten, um ein weiteres Erstarken zu verhindern! Dies kann jedoch nur geschehen, wenn gleichzeitig die vermeintliche Neutralitaet der Mitte angegriffen wird – und die gesellschaftlichen Machtstrukturen, auf denen Faschismus aufbaut. Es muss gefragt werden: Was ist das fuer eine Gesellschaft, die Nazis hervorbringt? Antisemitismus, Rassismus, Sexismus und Kapitalismus müssen als Strukturen verstanden werden, nach denen die Gesellschaft strukturiert ist – die ihre Ungerechtigkeit, ihre Unterdrückung und ihre Ausbeutung hervorbringen. Die ein gutes Leben für alle unmöglich machen. Diese Strukturen müssen auf allen Ebenen konsequent hinterfragt und abgebaut werden – und nur so wird Afd und anderen Nazis ihr Nährboden für eine noch schlimmere Gesellschaft genommen.
Radikaler Widerstand gegen diese gesellschaftlichen Unterdrückungsstrukturen – egal ob der Schwerpunkt Antirassismus, Antifaschismus, Feminismus, Klassenkampf oder Klimagerechtigkeit ist – wird nicht nur sehr stark erschwert – er wird immer wieder angegriffen und kriminalisiert. Angegriffen und kriminalisiert durch vermeintlich demokratischen Strukturen, von denen dreist behauptet wird, sie wären für Gerechtigkeit da. Diese Angriffe und Kriminalisierung finden auch durch die Polizei statt – eine Struktur, deren Bezug zum Faschismus nicht zu verleugnen ist.
Auch in den letzten Tagen ist diese Kriminalisierung durch Polizeieinsaetze mehr als deutlich geworden. So wurde der Täter*innenspurenmahngang letzten Sonntag von unverhältnismäßig viel Polizei begeitet und nur einen Tag danach der feministische Stadtrundgang im Rahmen der Polizei unerwartet von Cops aufgesucht, die einen Rundgang von höchstens 15 Menschen „begleiten“ wollten, ohne dass es dafür einen Grund gab und der Rundgang seit Jahren ohne Cops stattfindet. Oder werden seit neusten auch die Hopon hopoff Bustours von der Polizei begleitet? Wie bedrohlich und unkontrolliert sich die Polizei verhalten kann zeigte sich am 13. Februar als eine antifaschistisch Demonstrierende von einem Polizeiwagen mehrfach fast angefahren wurde. Dies ist ein Eingriff in den oeffentlichen Raum, er will antifaschistischem Protest Raum nehmen – und Nazis den Raum geben. Diese Polizeistrategien dienen der Einschuechterung – doch wir werden uns davon nicht einschuechtern lassen! Egal wie viele Gesetze ihr erlasst, egal wie viel Geld ihr dafuer haben wollt, uns zu verhaften, egal wie sehr ihr uns droht – jetzt erst Recht! Denn wir sind solidarisch und Solidaritaet ist eine Waffe! Das staatliche Gewaltmonopol und die von faschistischen Strukturen durchsetzte Polizei gehoeren immer noch abgeschafft!
Dieser antifaschistische Widerstand aus den letzten Jahren zeigt ganz eindeutig, was bei Nazis zu tun ist: naemlich konsequentes Blockieren! Und das auf allen Ebenen!
Diese Blockaden auf allen Ebenen müssen sich dabei – wie bereits benannt – gegen die gesamtgesellschaftlichen Verhältnisse richten. Diese gesamtgesellschaftlichen Verhältnisse anzugreifen bedeutet auch, sie in ihrer Gesamtheit zu verstehen. Und das bedeutet auch, dass Antirassismus, Antifaschismus, Feminismus, Klassenkampf oder Klimagerechtigkeit nicht getrennt voneinander gedacht werden können und dürfen. Heute arbeiten wir an diesen Verbindungen mit dem feministischen Block und dem Klimagerechtigkeitsblock – in Erfurt arbeitet daran Unteil. Feministischer Antifaschismus in Theorie und Praxis umzusetzen ist für uns aktuell eine Möglichkeit, mit einem breiteren feministischen Verständnis und einem breiteren antifaschistischen Verständnis zu arbeiten. Feministischer Blockieren sieht eine breite feministische Bewegung als fähig, die Gesellschaft, wie sie gerade ist, fundamental in Frage zu stellen und aus den Angeln zu heben – um sie gerechter für alle zu gestalten!
Wir kämpfen für eine breite feministische Bewegung, die antifaschistische Verantwortung gegen Nationalismus in Vergangenheit und Gegenwart übernimmt und das Potential hat, Geschichte aufzuarbeiten und konservativen und rechten Interessen etwas entgegen zu setzen. Täter*innenschaft war nicht nur cis-männlich und der antifaschistische Widerstand ist es ebenfalls nicht. Lasst uns gemeinsam auf die Straße gehen und dem Opfermythos ein Ende setzen! Wir wollen solidarisch und feministisch miteinander den Naziaufmarsch verhindern! Und genau das werden wir heute tun! Außerdem rufen wir nochmal zu weiterführenden antifaschistisch feministischen Kämpfen gegen die vermeintliche Neutralität der bürgerlichen Mitte, gegen die AfD, Nazis und andere rechte Gruppen und Parteien auf – heute, übermorgen und den Rest des Jahres.
Für einen Widerstand gegen Faschismus und nationalen Konsens! Deutsche Täter*innen sind keine Opfer!
Gegen jeden Antisemitismus – nieder mit Deutschland und für den Feminismus!